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Was weiß ich ...


Mary Martini

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***

Ausheul-Eintrag. Bitte nicht lesen, wenn allergisch dagegen.

Ich ertrinke. Über meinem Kopf schlagen mächtige Wellen zusammen und lassen mich nicht hinaus, wie sehr ich mich auch bemühe. Ich bekomme keine Luft. Ich ertrinke.

Gott, das klingt so erbärmlich.

Die letzten Tage und Nächte - weniger die Tage, mehr die Nächte - haben mir gezeigt, dass die "Therapie" bisher nichts gebracht hat, niente, nada. Nichts. Es war immer so: Gute Tage wechselten sich mit schlechten ab; ein Sonne-Wolken-Mix, mal mehr Sonne, mal mehr Wolken und zwischendrin ein fetter Hagelschauer. Es ist noch genauso, auch mit Therapie. Und ich hasse es, so zu denken, aber was soll sich auch bitte groß ändern? Linus wird einmal die Woche für ein paar Minuten massiert, Mama oder Papa auch. Und Reden tut auch gut, aber Wunder bewirkt Reden auch nicht! Ich glaube, das einzige, was uns noch hilft, ist die Zeit. Wenn der Junge größer ist, sprechen kann, mehr mitbekommt, mehr versteht und ... ich glaube nicht, dass sich in den kommenden Monaten etwas ändern wird. Ja ja. Ich kann es nicht wissen. Er könnte nächsten Monat schon schlafen, ohne zu schreien.

Oder er bleibt so, bis er vier ist.

Keiner weiß es!

In den letzten Nächten ist er wieder stündlich aufgewacht. Ich schreibe "stündlich", obwohl ich es nicht weiß, weil ich nicht auf die Uhr schaue und mir, selbst wenn, die Uhrzeiten eh nicht merken kann. Manchmal ist es mehr als jede Stunde, manchmal eineinhalb Stunden. So oder so: Er wacht ständig auf. Und dann brüllt er. Laut. Sehr sehr laut. Er wacht einfach auf! Er hat doch nicht jede Stunde Hunger! Und trotzdem braucht er die Brust, um wieder einschlafen zu können. Gestern Abend brauchte er sie einmal nicht, da hab ich ihn in den Arm genommen und er schlief so wieder ein. Es scheint also zu gehen!! Warum aber geht es in neun von zehn Fällen nicht?!

Gegen Morgen - es war noch dunkel, wie spät weiß ich nicht - ich war so müde. Ich konnte ihn nicht zum hundersten Mal anlegen. Ich hab mich weggedreht und gebetet, dass Papa es schafft, ihn zum Schlafen zu bringen. Hat er auch - für ein paar Minuten. Dann wachte Linus wieder auf und ich musste doch wieder ran.

Endgültig wach war er ab ... sechs? Halb sieben? Ich weiß es nicht. Er hat gemeckert, gejammert, aber moderat. Ich hab die Augen nicht aufbekommen.

Ich hab ihn einfach machen lassen.

Papa und ich haben heute Morgen eine Achterbahnfahrt hinter uns. Als Linus wieder brüllte (die Nacht war noch nicht genug), hab ich mich so unfähig gefühlt. Wie eine Versagerin. Eine schlechte Mutter. Schatze hielt eine flammende Rede, dass ich es nicht bin und was ich alles für das Kind tue. Er war so lieb. Ich bin so froh, ihn zu haben.

Keine Viertelstunde später bin ich voll ausgerastet und hab ihn angebrüllt, weil ich die Beutel nicht gefunden hab, wo ich immer Linus' Essen einpacke. Er räumt nämlich nie sofort alles dahin, wo es hingehört, wenn er mit dem Jungen nach Hause kommt und das regt mich so auf.

Und dann hat es mir so Leid getan, weil er vorher so lieb gewesen war! Also hab ich mich entschuldigt. Und ich wollte eigentlich die ganze Zeit nur, dass die beiden endlich gehen.

Bevor es dann soweit war, ist mir klar geworden, was ich heute noch alles machen muss.

Ich muss an meiner Seminararbeit weiterschreiben. Bald ist der Monat zu Ende und ich bekomme nicht noch eine neue Deadline. Meine Dozentin war schon so was von kulant, irgendwann ist Feierabend.

Aber morgen früh kommt Besuch, Onkel und Tante mit meinen zwei kleinen Cousinen. Deshalb muss ich Toilette und Bad machen, den Flur fegen und wischen, die Wäscheständer abnehmen und alles wegräumen, was kleine Mädchenhände nichts angeht.

Brot muss ich backen, wir haben nada zu essen hier, ich muss aber essen, damit ich schreiben kann. (Das mag spießig klingen, aber ohne Frühstück geht bei mir gar nichts.)

Und ich musste selbst ja auch noch aus den Puschen kommen, das ganze Drama und ich noch in Schlafklamotten, so richtig grottig.

Und Schatze geht heute Nachmittag mit einem Freund was trinken, ich selbst habe ihn dazu genötigt, damit er auch mal wieder rauskommt. Alleine mit Linus, der nachmittags wieder hier sein wird, komm ich aber zu fast gar nichts, das heißt, ich muss alles, was zu tun ist, bis drei erledigt haben.

(Und was mache ich stattdessen? Ich schreibe Tagebuch! Super.)

Wenn er nur nicht immer so brüllen würde. Ich ertrage es manchmal nicht mehr. Ich verstehe es nicht. Und inmitten meiner Ohnmacht und Wut tut mir mein armes Kind so Leid. Was soll aus ihm werden, wenn er ständig so unzufrieden und unglücklich ist? Er weint so viel! Das tut mir auch weh!

Im Moment kommt mir alles wie ein Kampf gegen Windmühlen vor. Oder wie eine Farce. Ich schreibe an dieser blöden Hausarbeit, obwohl ich im Moment gar nicht sehe, dass/wie ich mein Studium zu Ende bringen soll. Aber wenn ich es nicht tue, habe ich nichts, deshalb schreibe ich.

Es war alles so gut durchgeplant. Wir sind nicht Hals über Kopf und hirnlos an die Sache herangegangen. Es war alles durchgeplant. Wir hatten alles im Griff.

Und jetzt?

Ich will, dass die kommende Nacht besser wird und dass es uns morgen besser geht und überhaupt will ich, dass alles endlich besser wird. Alle sagen mir immer, wenn ich mich nach "normal" sehne, dass normal doch langweilig ist.

Na und??? ICH WILL NORMAL!

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