Bedürfnisse
Mein Baby brauchte mich heute zum Einschlafen noch mehr als sonst und ich ärgere mich wahnsinnig über mich selbst.
Linus hat heute Abend insgesamt eineinhalb Stunden gebraucht, um in den Schlaf zu finden. Er war so müde, dass ich, naiv wie ich bin, geglaubt habe, das Einschlafen wäre nach fünf Minuten erledigt. Stattdessen schrie Linus wieder wie von Sinnen - nur dann nicht, wenn er an meiner Brust war.
Wann immer ich dachte, er sei jetzt soweit, versuchte ich vorsichtig abzudocken. So um die sechs, sieben Mal, und jedes Mal ging es von vorne los: Linus sucht, wenn er die Brust nicht findet, fängt er an zu wimmern und wenn er sie dann immer noch nicht bekommt, schreit er. Irgendwann hat sein Genuckel aber schon richtig wehgetan und ich hatte nicht den Elan, sie ihm noch mal zu geben. Das Ergebnis war, das wir wieder da ankamen, wo wir angefangen hatten, als ich ihn hingelegt habe: Er schrie. Er brüllte.
Dann löste Papa mich ab und nach harter Arbeit schlief Linus ein - für ungefähr zehn Minuten. Dann brüllte er wieder. Ich legte ihn doch wieder an. Dann schlief er.
Eine halbe Stunde später weinte er schon wieder. Dieses Mal reichte meine Wärme und Nähe, um ihn wieder zum Schlafen zu bringen. Das ist jetzt eine Viertelstunde her und ich warte darauf, dass er wieder aufwacht.
Linus' Bedürfnis bin ich. Er braucht mich sehr, mehr als alles andere in der Welt. Ich bin seine Quelle; die Quelle seiner Nahrung, die Quelle, die ihm Liebe gibt, Geborgenheit, Sicherheit. Wärme. Schutz.
Wenn ich weniger ungeduldig gewesen wäre (Schwiegermutter saß draußen und ich wusste, ich habe nur eine halbe Stunde Zeit, Linus zu Bett zu bringen, weil sie dann gehen wollte) - wenn ich nicht immer wieder versucht hätte, mich von ihm zu lösen - wäre unser beider Abend dann angenehmer verlaufen? Hat Linus gespürt, dass ich mich unter Druck gesetzt habe, besonders schnell mit ihm "fertig zu werden"?
Und wenn ich gleich zum Schlafen bei ihm geblieben wäre, ohne den Wunsch nach einigen privaten Minuten; einigen Minuten, in denen ich Trivialitäten erledigen kann (wie einen Abstecher ins Internet), einigen Minuten für mich selbst, nachdem ich wieder 12 Stunden beinahe nonstop Mutter und nichts anderes war - wäre sein Nachtschlaf dann ruhiger?
Ich glaube, ich kann alle Fragen positiv beantworten, und ich schäme mich, denn die ganze Zeit fragt eine leise Stimme tief in mir: Wo bleiben meine Bedürfnisse?
Darf man als Mama Bedürfnisse haben, die nicht mit dem konform gehen, was das Kind will? Wenn man ein Kind möchte, sollte man wissen, dass sich das eigene Leben unwiderbringlich und zwangsläufig ändert. Sind eigene Bedürfnisse vermessen oder erlaubt? Wenn es etwas gibt, das meinem Kind guttut - in diesem Falle Dauerstillen - und ich gebe es ihm nicht, obwohl ich weiß, dass es ihm ohne dieses schlechter geht als mit, dann stelle ich meine Bedürfnisse über die meines Kindes und ende so wie jetzt - mit schlechtem Gewissen und voller Selbstzweifel.
Ich glaube, beim nächsten Mal werde ich geduldiger sein als heute. Vielleicht hätte er nicht schreien müssen heute Abend.
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