Schreiambulanz II
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Zweiter und dritter Hausbesuch
Katja war inzwischen noch zwei Mal da und langsam kristallisiert sich heraus, dass es sich wirklich um eine Art Gesprächstherapie mit Entspannungsmassagen handelt. Das klingt zunächst wirklich nach nicht viel. Aber allein das Wissen, dass da jemand ist, der deine Probleme nachvollziehen kann und dir geduldig zuhört, hilft schon sehr.
Linus ist Katja gegenüber schon offener geworden und ließ sich beim letzten Mal sogar auf den Schoß nehmen und seine Massage bekam er auch.
Papa war auch an der Reihe und es hat ihm sehr gutgetan. Und wenn es meinen beiden Männern gutgeht, geht es mir auch gut.
Katja erzählt vieles, was ich schon wusste oder irgendwann mal gelesen/gehört habe, aber es zu wiederholen und darüber zu diskutieren, vertieft dieses Wissen noch einmal und hilft, es besser zu verinnerlichen. Zum Beispiel, dass Babys nun mal keine andere Möglichkeit haben, sich bemerkbar zu machen, wenn ihnen etwas ganz und gar nicht behagt. Während wir aussprechen können, was uns nicht gefällt, kann ein Baby nur weinen oder, wenn es ganz schlimm ist, schreien. Ich wusste das natürlich, aber sich das zu verdeutlichen, ändert schon noch mal die Sichtweise darauf.
Gut, Linus ist sensibel und stört sich an Dingen, die andere Babys kalt lassen würden. Er muss sich also öfter melden, weil ihm öfter etwas nicht gefällt. Aber das ist ja auch sein gutes Recht. Er ist noch so auf unsere Hilfe angewiesen und er darf durchaus verlangen, dass wir, die ihn lieben, ihn in für ihn schlimmen Situationen unterstützen.
Wenn er das nächste Mal im Kinderwagen schreit, werde ich mehr Verständnis für ihn haben. Ich kann nur erahnen, was ihm dann nicht gefällt, aber ich fühle mich besser, wenn ich es einfach akzeptiere.
Das gilt für die Probleme beim (Ein-)schlafen allerdings nicht so. Wir haben nach wie vor große Probleme damit und ich weiß einfach nicht, warum er sich so schwer tut. Warum er gegen Müdigkeit so kämpfen muss, einfach nicht loslassen kann. Je müder er ist, desto mehr wird er von allem eingenommen, was um ihn herum ist; alles zieht seine Aufmerksamkeit auf sich, und obwohl er kaum noch die Augen offenhalten kann, muss er es erforschen. Das ist sehr anstrengend für alle Beteiligten. Wir haben in dem Bereich auch noch keine Fortschritte gemacht. Es gibt wenige gute Tage, an denen das Einschlafen prima klappt, aber die meisten Tage sind schlecht und jedes Einschlafprozedere eine Qual. Da hilft das schönste und beruhigendste Ritual nicht (mehr).
(Ich singe Linus sehr viel vor; bis vor ein paar Wochen konnte ich ihn immer zumindest für kurze Zeit beruhigen - nun hilft auch das nichts mehr ...)
Manchmal möchte ich alles hinschmeißen, mir die Decke über den Kopf ziehen und ein "Bitte nicht stören"-Schild an mein Leben hängen. Ich bin so müde. Nicht nur körperlich, auch geistig. Manchmal - nicht immer - komme ich mir vom Schicksal ungerecht behandelt vor.
Dann aber gibt es wieder Tage, an denen ich mit einem positiven Gefühl in die Zukunft blicke. Gestern habe ich hier im Forum massenhaft moralische Unterstützung und viele Tipps bekommen - das hat mich sehr aufgerichtet. Dazu gab es einen schönen Tag und eine Nacht, in der ich nur vier Mal gestillt habe und Linus nur einmal gebrüllt hat. Wenn es solche Nächte nicht gäbe ... aber es gibt sie, ja, tatsächlich. Und eigentlich kann doch die Zeit nur für uns arbeiten? Eines Tages wird Linus in Worte fassen können, was ihn stört. Ich werde ihn besser trösten können und er wird sicher nicht mehr so viel schreien müssen. Ich freu mich so sehr auf diese Zeit ...
Ich warte ab, wie Katjas weitere Hilfe sich auf unsere Situation auswirken wird - ob es eine grundlegende Verbesserung geben wird oder ob wir doch noch etwas anderes ausprobieren müssen. Und von den Tipps, die ich gestern bekommen habe, werde ich den einen oder anderen mitnehmen, um mir/uns kurzfristig das Leben ein wenig leichter und angenehmer zu machen.
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