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Das 24-Stunden-Kind


Mary Martini

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***

Ich wurde gebeten, ein bisschen über unsere Tage zu erzählen. Nun denn.

Linus ist schon immer ein sehr intensives Kind gewesen. Im Gegensatz zu den ersten drei Monaten, in denen er das "typische" Schreibaby war - also täglich über einen Zeitraum von mehreren Stunden gebrüllt hat, meistens ab dem Nachmittag bis in die Nacht hinein - und er 24 Stunden Körperkontakt brauchte (ablegen ging selten bis gar nicht), haben sich die Schwierigkeiten inzwischen jedoch zum Großteil auf die Einschlafmomente tagsüber und vor allem in der Nacht verlagert.

Das große Problem, das Linus hat, ist, dass er nicht abschalten kann. Alles, was er tut, geschieht mit einer Hingabe, die ich selten erlebt habe. Linus ist immer in Action. (Das halte ich auch für ganz normal; Babys sind Forscher und wenn es anders wäre, würde ich mir Sorgen machen.) Er braucht ununterbrochen Beschäftigung und ist wahnsinnig ungeduldig. Sitzen kann er beispielsweise gar nicht leiden. Er hält es höchstens zehn Minuten auf dem Schoß eines anderen oder im Maxi Cosi (beispielsweise beim Essen) aus, dann fängt er an, sich zu überstrecken und zu schimpfen. Wenn man dann nicht sofort mit ihm aufsteht und ihn trägt, steigert sich sein Unbehagen bis hin zu einer Schreiattacke, und das innerhalb weniger Momente.

Über einen längeren Zeitraum zufrieden und glücklich mit sich und der Welt ist er eigentlich nie. Ich kann nur spekulieren, woran es liegt. Er fängt sehr schnell an zu meckern und kann es sehr ausdauernd, wenn ihm eine Situation nicht gefällt. Ich glaube, zu einem großen Teil liegt es daran, dass er selten richtig ausgeschlafen ist. (Die Nächte sind immer unruhig, selbst wenn er schläft, wälzt er sich oft hin und her, jammert und wimmert im Schlaf, dreht sich von einer Seite zur anderen und wieder zurück ...) Es ist sehr schwierig, den richtigen Zeitpunkt abzupassen, in dem man ihn hinlegen kann. Wenn man es zu früh versucht, schreit er schon, wenn man nur ins Schlafzimmer mit ihm geht. Hinlegen bringt dann gar nichts, weil er sich so in Rage schreit, dass an Schlaf nicht zu denken ist.

Wartet man zu lange (die Frage hier ist - was ist zu lange?), dreht er so sehr auf, dass es genauso schwer ist, ihn wieder runter zu bringen.

Und dazwischen quengelt er. Er zeigt ganz deutlich, dass er müde ist - reibt sich ständig die Augen, kann sich nicht mehr konzentrieren, isst kaum (wenn die Müdigkeit zur Mittags- oder Abendbreizeit zuschlägt) und hält nicht still. Aber das kann er sowieso nicht sehr gut. Linus wuselt ständig hin und her, der Kopf dreht sich, er muss alles sehen und alles gleichzeitig, er turnt herum und ist schwerer zu hüten als ein Flohsack.

Vieles von dem, was ich geschildert habe, trifft auch auf andere Kinder zu. Was Linus unterscheidet, ist wohl seine niedrige Toleranzschwelle. Schreikinder haben Probleme mit der Selbstregulation (brauchen deshalb unter anderem auch eine klare Tagesstruktur, an der wir derzeit arbeiten - soweit es möglich ist). Er ist immer 120% da, manchmal ist das zu viel, das Leben überfordert ihn dann.

Ich habe noch keine Strategie gefunden, ihm beim Abschalten zu helfen. Natürlich machen wir das, was geraten wird - vor dem Schlafengehen wird nicht mehr wild herumgetobt. Linus wird nicht vor dem Fernseher geparkt. Er wird nicht mit Spielzeug überfordert (aber muss sich auch nicht langweilen). Dann der Rhythmus, den wir versuchen, einzuhalten. Zum Beispiel Mittags- und Abendbreizeiten. Ich versuche auch gerade, das Stillen zumindest ein bisschen zu regulieren. Wenn der Hunger ganz schlimm ist, bekommt Linus natürlich die Brust. Aber wenn er es aushalten kann, strecke ich die Stillzeiten ein wenig. Ich halte das langsam für sinnvoller als ein Stillen ausschließlich nach Bedarf.

Vielleicht noch ein paar Beispiele aus unserem Leben mit dem Wildfang:

Wir essen in der Regel zwischen halb fünf und halb sieben. Regelmäßig zum Essen wird Linus unruhig (egal, wie spät es ist). Während wir essen, sitzt er bei uns in der Essecke im Maxi Cosi. Dort hält er es allerdings nicht lange aus. Nach ein paar Minuten überstreckt er sich und schreit so laut, dass er zu Papa auf den Schoß kommt, damit wir weiteressen können.

Warum es immer zum Essen ist, weiß ich nicht. Ich habe mal gehört, dass viele Kinder da unruhig werden, weil sie am Familienleben teilhaben wollen. Da er direkt neben mir sitzt und ich mich viel mit ihm unterhalte, während wir essen, leuchtet mir das aber nicht sehr ein.

Vielleicht mag er den Maxi Cosi auch einfach nicht?

Am liebsten würde Linus den ganzen Tag getragen werden. Das war schon immer so. Auf dem Arm von jemandem zu sein, reicht ihm dabei nicht. Es muss Bewegung mit ihm Spiel sein oder derjenige, der Linus auf dem Arm hält, muss zumindest stehen. Man kann nur selten mit ihm sitzen. Selbst stehen ist auch ein unbedingtes Muss, obwohl er das ja noch gar nicht soll. Er ist aber nicht davon abzuhalten, es muss einfach sein.

In letzter Zeit findet er es allerdings auch toll, auf dem Boden herumzukrauchen (was auch erst seit einigen Wochen geht - davor hat er regelmäßig angefangen zu brüllen). Er robbt schon fantastisch und das Krabbeln lässt wohl nicht mehr lange auf sich warten. Ich habe ja die Hoffnung, dass er mit wachsender Mobilität zufriedener wird.

Je müder er wird, desto interessanter wird die Welt um ihn herum, aber desto kürzer können Dinge ihn nur noch fesseln. Er wehrt sich immer sehr stark gegen die Müdigkeit, kann sie aus irgendeinem Grund nicht zulassen. Nur, was macht man mit einem übermüdeten, quengelnden Kind, das partout nicht schlafen mag?

Und um noch ein paar schönere Beispiele zu nennen: Linus liebt es zu lachen. Wenn man Quatsch mit ihm macht, ihn erschreckt oder Kuckuck spielt, einfach mit ihm herumalbert, kriegt er sich gar nicht mehr ein. Er ist wahnsinnig leicht zu begeistern und hat einen fantastischen Humor. Inzwischen versucht er sogar ganz bewusst, auch uns zum Lachen zu bringen.

Linus ist sehr ehrgeizig. Wenn er etwas haben will, versucht er es so lange, bis er es erreicht. Aufgeben kommt nicht in Frage (auch wenn es vor temporärem Frust ziemlich laut zugehen kann).

Linus ist ein sehr kuschliges und nähebedürftiges Kind, das uns tagtäglich ganz deutlich seine Liebe zeigt. Er ist total kommunikativ und fordert die Aufmerksamkeit, die er braucht, vehement ein.

Es wäre ein Erfolgserlebnis für uns, wenn wir diese Intensivität besser kanalisieren und ihn auffangen könnten, ehe es zu viel für ihn wird.

Aber geht das überhaupt oder ist es dafür noch zu früh ...?

6 Kommentare


Empfohlene Kommentare

Kobold

Geschrieben

Oh Mary ich reich dir die Hand. Liam ist auch so. Fast in allen Punkten völlig identisch.

Eine ständige Gradwanderung zwischen Langeweile und Überlastung. Und glaub mir, ich finde die Mitte auch eher selten. Aber man kommt mit der Zeit dem irgendwie immer näher.

Heute Abend erst hab ich so für mich gedacht ... "Schmeiß all die tollen Ratgeber über Board und versuche Liam zu fühlen". Da lag ich gerade im Bett neben ihm (er schläft ja noch immer im Beistellbett) und hielt seine Hand. Vorher hab ich ihn gestillt und sanft gewiegt. Es ist mir egal, ob er sich daran gewöhnt. Im Moment braucht er die Nähe einfach, also bekommt er sie so lange und so ausgiebig er will. Ich brauchte heute zum ersten Mal seit Tagen nicht noch einmal wieder zu ihm rein.

Einen Unterschied haben unsere beiden allerdings. Ehrgeizig empfinde ich Liam nicht. Neugierig ja. Sehr neugierig sogar. Und er beobachtet noch viel mehr als der Große damals. :rolleyes:

Und dementsprechend wird hier zu seiner und auch meiner Frustration noch kein Millimeter gerobbt oder gekrabbelt. :rolleyes:

Ich würde dir gerne einen Trick verraten, wie ihr zu mehr Entspannung kommt, aber ich hab keinen. :o Ich weiß ja nicht mal genau, was ich hier mache. Aber eine klare Tagesstruktur ist auf alle Fälle super wichtig. Feste Zeiten für einfach alles. Und wenn das dann gut funktioniert, dann sind auch immer mal Abweichungen ok.

piepsi

Geschrieben

du schreibst sehr sehr sehr schön und nett über deinen kleinen ... man muss ihn schon alleine vom lesen einfach gern haben, euren rabauken :) ... ich hoffe soooo sehr, dass er es nach und nach immer besser schaffen wird mit dem abschalten und einschlafen!!!

(maxicosi beim essen mag maria übrigens auch überhaupt nicht leiden ... auf dem schoß will sie aber alles anfassen und mit"spielen", was ja auch schlecht geht:rolleyes: ... wenn man sie aber ohne hose, nur mit windel und evtl socken am boden zappeln lässt, ist meistens alles prima:D ... kinder sind manchmal echt komisch:p)

fraulehrerin

Geschrieben

Hallo!

Wenn ich das so lese, dann beschreibst du recht gut unsere Anna. Bis auf das Dauerbrüllen (das bei uns deutlich weniger war und ist, aber auch vorhanden). Vielleicht findest du es ja gut zu hören, dass es Schritt für Schritt besser wurde bei uns. Je mobiler Anna wird, desto ausgeglichener wird sie. seit sie läuft bleibt sie auch mal ein paar Minuten an einer Sache dran und beschäftigt sich intensiver mit Spielsachen. Was allerdings auch bei uns noch immer 0,0 geht ist Essen und sitzen. Auf dem Schoß hält sie es kaum 30 Sekunden aus und mitlerweile hat sie sogar raus wie sie sich wenden muss um im Hochstuhl aufzustehen.

Mary Martini

Geschrieben

Hallo ihr drei,

@Uta: Ja, ich bin auch unbedingt dafür, auf die mütterliche Intuition zu vertrauen. Meistens gelingt mir das ganz gut, manchmal hab ich aber auch Sorgen. Das Einschlafstillen wollte ich Linus nie angewöhnen, ich kann mich gut an den Abend erinnern, an dem ich ihn eines der ersten Male einschlafstillte und zum Papa sagte, dass das aber nicht einreißen darf. Ich war mir des Risikos bewusst, aber in dieser Zeit mussten wir nehmen, was wir kriegen konnten ... Inzwischen ist Linus hochgradig einschlafstillsüchtig und seit der letzten Nacht weiß ich, dass ich damit leben muss. Ob ich will oder nicht.

Ich bin mir ganz sicher, dass auch Liam bald robben und krabbeln wird, liebe Uta! Der packt das. :) Und er hat ja auch noch Zeit. Linus ist ehrgeizig, ja. Ich würde sogar sagen hartnäckig. Papa sagt dann oft "wie die Mama" und ich glaube, das ist nicht immer ein Kompliment ... ;) Es kommt immer darauf an, wie es sich äußert ...

Dass du nicht weißt, was du tust, glaube ich dir nicht. *g* (Oder vielleicht doch, aber es klappt trotzdem.) Nach allem, was ich bisher über dich mitbekommen habe, halte ich dich für ziemlich Mama-kompetent.

@piepsi: Linus liebt es auch, mit nackigen Beinen zu strampeln! Ich überlege ernsthaft, ihn in Zukunft beim Essen auch auf den Boden zu legen. Nur nicht nackig, dafür kühlt er mir zu schnell aus ... aber es ist beruhigend zu hören, dass auch Maria den MaxiCosi nich mag!

@fraulehrerin: Ich hab jetzt schon einiges von deinem kleinen Wirbelwind und dir gelesen inklusive deines aktuellen Threads, na holla die Waldfee ... da hast du aber echt ein ziemlich starkes Persönchen im Haus. Ich hoffe sehr für dich, dass du deine Nische findest, auch wenn es nicht New York ist, vielleicht etwas anderes ... eine Herbstmami hat mich auf die Idee einer MuKi-Kur gebracht, bist du dir sicher, dass es nicht auch etwas für euch wäre? Ansonsten merke ich an mir selbst, dass es mir richtig schlecht geht, wenn ich gar keine Zeit für mich bekomme, das ist soo wichtig ... oft geht es nicht oder ich stehe mir mit meinem schlechten Gewissen selbst im Weg, aber dass es wichtig ist, weiß ich, deshalb würde ich allen beipflichten, die dir geraten haben, etwas für dich zu tun. Alles Gute wünsche ich dir!

Und ja, ich habe Hoffnung, wenn du sagst, dass es bei Anna mit wachsender Mobilität besser wurde ... ich bin gespannt ...

Vielleicht komme ich, wenn Linus heute Abend schläft, dazu, über die letzte Nacht zu schreiben ...

Danke für eure Kommentare. :)

Kobold

Geschrieben

Weißt du, mir ists inzwischen egal, wann oder ob der überhaupt robbt oder krabbelt. Irgendwann wird er laufen. :P

Und es ist wirklich so wie ich geschrieben habe. Ich weiß nicht so genau, was ich da immer so mache. Bei den Kindern reagiere ich meistens nur auf die Situationen. Aber klar, wenn was funktioniert, dann wird das beim nächsten Mal einfach wieder probiert.

Natürlich grübel ich auch über viele Dinge nach. Wie jetzt mit dem Essen wieder. Was man alles so versuchen könnte. Und dann taste ich mich vorsichtig vorwärts.

Beim Großen ists dann natürlich alles nochmal anders. Da quatschen männe und ich doch vor allem Abends recht oft über den Tag und was er mal wieder so für Schoten drauf hatte. Wir stimmen uns da dann eben auch ab, wie wir dann so reagieren. Find ich superwichtig und klappt absolut prima bei uns. :)

Du sprichst das Einschlafstillen an und mit schwant nichts gutes in Bezug auf letze Nacht. Es gibt einige Dinge, die sowas ersetzen können. Persönlich würde ich dir immer wieder raten, es in regelmäßigen Abständen mit dem Schnuller zu versuchen. Und nicht immer wieder verschiedene. Such dir einen aus, der dir gefällt und versuche es Probiere es in guten Momenten und täglich würd ich sagen einfach immer mal wieder. Ohne Druck und ohne Zwang. Vielleicht hast du ja Glück und es klappt doch noch. Manche Kinder kommen erst sehr spät dahinter, wie toll so ein Ding doch sein kann.

Alternativ kannst du versuchen herauszufinden, ob ihm ein Schnuffeltuch, Greifling oder irgendwas anderes besonders am Herzen liegt und dann immer dieses Teil in Stresssituationen mit dabei haben. Es wird ihn sicher etwas beruhigen und vielleicht irgendwann deine BW ersetzen.

Wünsch dir viel Glück.

Mary Martini

Geschrieben

Wir haben inzwischen nur noch einen Nuckel und Linus findet den auch prima - allerdings verkennt er vollkommen den Sinn und Zweck, nämlich, dass der Nucki als Beruhigungsinstrument fungieren soll. Stattdessen spielt er damit herum, steckt ihn sich ganz in den Mund, kaut den Sauger an und findet den Nucki allgemein sehr spannend - aber eben als Spielzeug. Ich glaub, der Zug ist abgefahren ... *g*

Mit Schnattchen hab ich es in letzter Zeit ein paarmal probiert, die ist allerdings uninteressant als Kuschelobjekt, auch wenn er sie tagsüber sehr gern mag.

Mit einem Greifling hab ich es noch nicht probiert, aber das werde ich mal, danke für den Tipp!

Gast
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